Erstellt am: 06.06.2024
Holder: „Jede Steigerung der Arbeitskosten erschwert es den Firmen, hier am Standort Beschäftigung zu sichern“
REUTLINGEN – Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie (M+E) in der Region sehen ihre Unternehmen wachsenden Belastungen ausgesetzt. „Die wirtschaftliche Lage ist äußerst angespannt. Einen Optimismus, dass sich dies schnell ändern könnte, verspüren wir leider nicht“, sagte Martin Holder, Vorsitzender der Bezirksgruppe Reutlingen von Südwestmetall, auf dem Sommerfest des Arbeitgeberverbands am Mittwoch im Reutlinger Achalm Hof: „Weitere Belastungen, etwa bei den Arbeitskosten, würden es unseren Unternehmen noch schwerer machen.“
Laut einer aktuellen Umfrage des Verbands rechnet die Mehrheit der Unternehmen in der Region für das Gesamtjahr 2024 sowohl bei Auftragseingängen und Produktion, als auch bei Ertrag, Personal und Investitionen mit einem teils kräftigen Minus. Hinzu komme, dass sich die Standort- und Rahmenbedingungen, die die Politik setzt, sich zuletzt verschlechtert hätten. Holder nannte dabei eine hohe Steuerlast, steigende Sozialabgaben, nicht mehr wettbewerbsfähige Energiepreise, aber auch zähe Planungs- und Genehmigungsverfahren und eine immer weiter um sich greifende Bürokratie: „Angesichts der Herausforderung im Zuge der Transformation, vor der unsere Firmen stehen, benötigen wir jedoch dringend mehr Rückenwind von der Politik statt weiterer Belastungen.“
Mit gemischten Gefühlen blicke man daher auch auf die bevorstehende Europawahl am Wochenende. Einerseits sei die exportorientierte M+E-Industrie wie kein anderer Wirtschaftszweig auf ein funktionierendes, freies und freizügiges Europa angewiesen. „Politischen Kräften, die sich von der europäischen Integration ab- und einem stärkeren Nationalismus zuwenden, zeigen wir daher die rote Karte“, betonte Holder. Andererseits hoffe man auch auf einen Kurswechsel der EU-Politik: „In den vergangenen Jahren wurden hier die Themen Soziales und Ökologie immer mehr in den Fokus gerückt, die Wirtschaft wurde dabei aber zu sehr vernachlässigt.“
Mit Blick auf die heute gestartete Forderungsdiskussion der IG Metall für die Tarifrunde im Herbst nahm der Bezirksgruppen-Vorsitzende aber auch die Tarifparteien in die Pflicht: „Jede Forderung nach einer Entgelterhöhung, jede Steigerung der Arbeitskosten führt zu einer zusätzlichen Belastung für unsere Firmen, die es diesen erschwert, hier am Standort in die Zukunft zu investieren und Beschäftigung zu sichern.“ Das durchschnittliche Jahresentgelt in der baden-württembergischen M+E-Industrie liege mittlerweile bei knapp 75.000 Euro, über die letzten zehn, zwanzig Jahre seien die Tarifentgelte auch kräftiger gestiegen als die Preise, so Holder: „Da gibt es auch nichts auszugleichen oder nachzuholen.“
Kritik äußerte er an gewerkschaftlichen Vorwürfen, die Arbeitgeber würden aus Renditegründen leichtfertig ins Ausland verlagern: „Gerade in unserer Region ist die Industrie besonders mittelständisch geprägt und tief verwurzelt mit ihrer Heimat. Und unsere Unternehmerinnen und Unternehmer würden nichts lieber tun, als hier kräftig zu investieren, gemeinsam mit ihren Beschäftigten hier die Zukunft zu entwickeln. Dafür müssen aber auch die Rahmen- und Standortbedingungen stimmen – zu denen auch die Arbeitskosten zählen.“ Das belegen auch die Ergebnisse der aktuellen Verbandsumfrage, in der alle Unternehmen "hohe Arbeitskosten" als eine der wesentlichen Belastungen für die Geschäftsentwicklung nannten. Gut die Hälfte der Unternehmen, die nicht nur im Inland tätig sind, plant daher auch, in den nächsten Jahren einen größeren Anteil als bisher im Ausland zu investieren.
Am traditionellen Südwestmetall-Sommerfest nahmen rund 100 Vertreter aus Mitgliedsfirmen, der Politik, den Medien und weiteren Institutionen teil. „Das Fest dient dabei nicht nur der Auseinandersetzung mit politischen Themen, sondern vor allem dem zwanglosen Zusammenkommen und Austausch in entspannter Atmosphäre“, sagte Dr. Jan Vetter, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe. Neben einem Grußwort des Reutlinger Finanz- und Wirtschaftsbürgermeisters Roland Wintzen stand dabei in diesem Jahr ein Vortrag des Zukunftsforschers Jan Berger, Gründer und Geschäftsführer der Berliner Denkfabrik Themis Foresight, zum Thema „Die Zukunft der Industriearbeit in Deutschland“ im Mittelpunkt.