Erstellt am: 14.01.2020
REUTLINGEN / TÜBINGEN / BALINGEN / FREUDENSTADT / CALW – Unternehmensvertreter der Metall- und Elektroindustrie fordern angesichts der nahenden Tarifrunde einen Kurswechsel in der Tarifpolitik. „Jahrelang ging es in unserer Industrie und auch für die Beschäftigten fast stets nach oben. Jetzt stehen wir jedoch alle vor großen strukturellen und konjunkturellen Herausforderungen“, sagen Martin Holder, Vorstandsmitglied der WAFIOS AG (Reutlingen), Bernd Nagel, Geschäftsführer der NAGEL GmbH (Nürtingen) und der TBT Tiefbohrtechnik GmbH +Co (Dettingen an der Erms) sowie Markus Oechsle, Geschäftsführer der Maschinenfabrik Lauffer GmbH & Co. KG (Horb am Neckar): „Wir können auch diese Herausforderungen meistern und unsere gemeinsame Zukunft weiterhin positiv gestalten – aber nur, wenn alle Beteiligten gemeinsam an einem Strang und am selben Ende ziehen.“
So stehen die Unternehmen vor einer Vielzahl an Herausforderungen, wie beispielsweise der Digitalisierung, zunehmenden Anforderungen des Klimaschutzes, der Transformation der Automobilindustrie sowie einer weiter anhaltenden konjunkturellen Schwäche und globalen wirtschaftlichen Risikofaktoren. Seit Anfang 2019 liege etwa das Produktionsvolumen in der M+E-Industrie unter dem Vorjahresniveau, die Branche befinde sich also in einer technischen Rezession. „All das macht es für die Unternehmen schwieriger, die künftige Entwicklung vorherzusehen“, sagte Reiner Thede, Geschäftsführer der Erbe Elektromedizin GmbH und Vorstandsvorsitzender der Südwestmetall Bezirksgruppe Reutlingen.
Absehbar sei allerdings, dass insbesondere die strukturellen Veränderungen enorme Investitionen erforderlich machten. „Dabei ist klar, dass die Unternehmen jeden Euro erst verdienen müssen und nur einmal ausgeben können. Darauf muss die anstehende Tarifrunde Rücksicht nehmen, sie muss dies vielmehr aktiv unterstützen. Erforderlich ist also genügend Spielraum für Investitionen in die Zukunft und zur Sicherung der Arbeitsplätze“, so die vier Unternehmensvertreter.“
Dies sei vor allem für die große Zahl der Unternehmen wichtig, die keineswegs so glänzend verdienten, wie vielfach behauptet werde. „Selbst in erfolgreichen Jahren schreibt gut ein Fünftel unserer Unternehmen nur eine ‚schwarze Null‘ oder sogar rote Zahlen. Im bereits schwierigen Jahr 2019 lag deren Anteil sogar bei mehr als einem Viertel“, “, sagt der Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Reutlingen, Dr. Jan Vetter.
Um die Zukunft erfolgreich gestalten zu können, müssten nun alle Beteiligten einen Beitrag leisten, erklärten Holder, Nagel und Oechsle, also sowohl Arbeitgeber und Beschäftigte in den Betrieben, als auch IG Metall und Südwestmetall auf der Ebene der Tarif- und Sozialpartner: „Insbesondere appellieren wir an die IG Metall, dem auch in der anstehenden Forderungsdiskussion zur Tarifrunde ausreichend Rechnung zu tragen – und nicht mit einer überzogenen Forderung kaum erfüllbare Erwartungen bei den Beschäftigten zu schüren. Vielleicht sollte die IG Metall keine „Forderungsdiskussion“, sondern eine „Zukunftsdiskussion“ führen“, ergänzte Thede.
Vetter verwies darauf, dass gerade eine kluge und vertrauensvolle Sozialpartnerschaft in der großen Krise 2008/2009 zur positiven Entwicklung der M+E-Industrie beigetragen habe. So sei es vor allem dieser Industrie zu verdanken, dass Deutschland vom „kranken Mann Europas“ im Jahr 2000 mittlerweile wieder zum ökonomischen Zugpferd des Kontinents geworden sei: „Auch die schwere Krise 2008/09 haben wir gemeinsam gemeistert.“ Seitdem wurden allein in der baden-württembergischen M+E-Industrie 170.000 zusätzliche Jobs geschaffen, jährlich zahlten die Betriebe rund 60 Milliarden Euro an Löhnen und Gehältern aus – zirka 50 Prozent mehr als 2010. „Wir haben einiges erreicht – und viel zu verlieren.“ Daher müsse der Fokus jetzt darauf liegen, das Erreichte so gut es geht abzusichern.
„Unsere Unternehmen haben in der letzten Krise gezeigt, dass sie verantwortungsvoll handeln und um jeden Arbeitsplatz kämpfen. Und das werden sie wieder tun. In Zeiten des Fachkräftemangels wären sie ja schlecht beraten, anders zu handeln. Manche Veränderung lässt sich jedoch nicht aufhalten. Alle Beteiligten müssen sich daher auf das Wesentliche konzentrieren: Unsere Unternehmen fit für die Zukunft und Jobs sicher zu machen“, so Thede.